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Die besten Glücksformeln für den Alltag "Glück = Präsenz + Fokus + Beziehungen"

Von Ilona Bürgel
Foto: DPA
Ilona Bürgel

Die Psychologin Ilona Bürgel zählt zu den führenden Vertretern der Positiven Psychologie im deutschsprachigen Raum. Sie will aufzeigen, wie der Spagat zwischen Lust auf Leistung und Erhalt der eigenen Ressourcen gelingen kann. Nach 15 Jahren in Führungspositionen ist sie heute Referentin, Beraterin, Autorin und Kolumnistin. Ilona Bürgel lebt und arbeitet in Dresden und im dänischen Århus. Hier geht es zu ihrer Website. 

"Willst Du glücklich sein im Leben, trage bei zu andrer Glück. Denn die Freude, die wir geben, kehrt ins eigne Herz zurück." So schrieben es unsere Großmütter in manches Poesiealbum. So viele Dinge haben sich seither verändert. Doch wie steht es heute mit diesem Rat? Oder konkreter gefragt: Kann man Glück beeinflussen, berechnen, vorhersagen?

Ich kann vorhersagen, wie glücklich jemand ist. Das einzige, was ich dazu wissen muss ist, was diese Person denkt. So einfach ist das? Meiner Erfahrung nach schon. Denn das, was wir denken, beeinflusst, wie wir uns fühlen.

Bitte machen Sie sich an dieser Stelle bewusst, dass wir ohne negative Gedanken keine negativen Gefühle haben. Würden wir die Welt und uns neutral oder positiv betrachten, dann würden wir uns auch so fühlen.

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So wie wir denken, nehmen wir das Leben wahr. Wir verhalten uns dazu passend und filtern sogar alles, was nicht in unsere Gedankenwelt passt, gnadenlos aus. Weil wir nicht eingreifen, werden einzelne Gedanken und die Art, wie wir denken, zur Gewohnheit. Und Gewohnheiten sind uns noch weniger bewusst. Wir erleben dann immer wieder Ähnliches und fühlen uns in unseren Annahmen bestätigt.

Im Juni 2012 erkannte eine Resolution der Vereinten Nationen das Streben nach Glück als ein grundlegendes menschliches Ziel an. Um daran zu erinnern, wurde der 20. März zum Weltglückstag erklärt.

Ich halte das für eine sehr wichtige Entscheidung, denn in vielen Industrieländern verbessern sich seit Jahrzehnten die objektiven Lebensbedingungen, die wirtschaftlichen und technischen Errungenschaften. Dies spiegelt sich jedoch nicht im Befinden der Menschen wider. Wir leben auf höchstem Lebensniveau und sehen und schätzen das kaum.

Jeder hat einen Spielraum von 40 Prozent

Foto: PRAKASH MATHEMA/ AFP

Viel zu oft warten wir darauf, dass uns Kollegen, Chef oder Eltern mal fragen, wie es uns geht, uns loben oder sehen, was wir leisten. Sie werden es nicht tun, solange wir unsere Leistungen nicht selbst anerkennen, wir uns selbst nicht wichtig nehmen.

Die Glücksforschung sagt, dass neben einer Disposition von etwa 50 Prozent für das Wohlbefinden und Glück unsere Lebensumstände zu etwa 10 Prozent bestimmen, wie gut es uns geht. So hat jeder von uns immer und überall einen Spielraum von 40 Prozent, um das Beste aus dem zu machen, was gerade geschieht.

Ich weiß, dass diese Tatsache erst einmal verdaut werden muss. Denn Arbeitsrecht, Nachbarn, Kunden oder Glatteis haben eben nur 10 Prozent Einfluss auf die Stimmung in unserem Leben. Den Rest bestimmen wir, vor allem dadurch, wohin wir unsere Aufmerksamkeit richten. Selbstverständlich können wir nicht alles bestimmen, einiges jedoch schon - und danach gilt es zu suchen.

Die optimalen Bedingungen für Glückssucher

Studien zeigen, dass der Erfolg von Wohlbefindensverbesserungen am größten ist:

  • wenn ich mein Wohlbefinden selbst verbessern möchte
  • wenn ich überzeugt bin, dass dies gelingt
  • wenn ich mich deshalb anstrenge
  • wenn ich mein Tun variiere
  • wenn ich dranbleibe
  • wenn ich dadurch Erfolgserlebnisse habe, die mich weiter motivieren
  • wenn ich die Übungen gut in den Alltag integrieren kann
  • wenn die Übungen zu mir passen
  • wenn ich Spaß habe.

Erfreulicherweise gibt es in Deutschland immer mehr Menschen, die sich beruflich mit der Erforschung von Glück und Wohlbefinden befassen. Einige von ihnen konnte ich dafür gewinnen, ihre theoretischen und praktischen Erfahrungen in einer Art Alltagsformel zusammenzufassen.

Kai Ludwigs: Glück ist mehr als die Summe seiner Teile

Foto: Roland_Scheidemann/ picture-alliance / dpa/dpaweb

Kai Ludwigs ist Direktor der Happiness Research Organisation , einem unabhängiges Forschungsinstitut, das sich auf die Messung von subjektivem Wohlbefinden und Glück mit modernen Forschungsmethoden spezialisiert hat. Er sieht das Thema so:

"Glück = Lebenszufriedenheit + affektive Balance + Eudaimonisches Glück"

Er bezieht sich auf die Definition der OECD, die nach jahrelanger Beratung mit führenden Forschern drei Indikatoren definiert hat: Ein glücklicher Mensch muss nach dieser Formel sowohl mit seinem Leben allgemein sowie mit spezifischen einzelnen Aspekten des Lebens (Job, Familie, etc.) zufrieden sein. Er muss mehr positive als negative Emotionen haben (= affektive Balance), und das Gefühl, dass das Leben, was er lebt, Sinn macht bzw. er sein Potenzial voll ausschöpfen kann (= Eudaimonisches Glück).

Ob die drei Aspekte rein additiv miteinander verknüpft sind oder eher multiplikativ und welche Rolle genau jeder Faktor spielt, wird weiter erforscht.

Dorette Segschneider: Glück ist jederzeit selbst herstellbar

Foto: DAK

Dorette Segschneider  ist Vertreterin des Neurocoachings. Ihre Glücks-Formel lautet:

Glück = Präsenz + Fokus + Beziehungen

Präsenz im Hier und jetzt kann jeder beispielsweise durch regelmäßige Meditation/Achtsamkeit üben. Meditation minimiert das Angstzentrum und maximiert unsere Fähigkeit zur Selbstregulation. Eine optimale Kombination zur Steigerung von Dopamin und Serotonin - unseren Glückshormonen.

Der Fokus auf Gutes gelingt durch Perspektivenwechsel von den negativen auf die positiven Dinge, die man erlebt, und das kann Wunder wirken. Wer lernt, sich auf die Dinge zu konzentrieren, die er/sie machen möchte, statt auf die Dinge, die sie/er nicht machen möchte, vergrößert in kürzester Zeit sein Glücksgefühl.

Soziale Beziehungen sind der Glücksfaktor Nr. 1. Wer darauf achtet, sich mit anderen Menschen zu verbinden und regelmäßig (freundschaftliche) Beziehungen zu pflegen, steigert seinen persönlichen Glücksfaktor automatisch. Das Gehirn schüttet vermehrt das Glücks- und Bindungshormon Oxytocin aus.

Pia Michel und Justine Lagiewka: Glück ist eine Entscheidung

Foto: Uli Deck/ dpa

Pia Michel und Justine Lagiewka von Good Work Good Life  sind als Führungskräfte-Coaches überzeugt, dass Glück eine Entscheidung ist. Jeder Mensch entscheidet selbst, wie er etwas wahrnimmt und bewertet.

Das Ergebnis beeinflusst dann wiederum direkt die Zufriedenheit mit der beruflichen Situation sowie mit dem Leben im Ganzen. Ihre Arbeit basiert auf der Formel des Neurowissenschaftlers Antonio Damasio:

Glück = subjektives Wohlbefinden + Zufriedenheit mit dem Leben

Dabei wird das subjektive Wohlbefinden durch die Häufigkeit angenehmer Gefühle, Stimmungen und Gedanken abzüglich der Häufigkeit unangenehmer Gefühle, Stimmungen und Gedanken bestimmt.

In gleicher Weise ergibt sich die Zufriedenheit mit den wichtigsten Lebensbereichen. Je häufiger wir positive Gefühle und Gedanken haben und je größer die Zufriedenheit ist, umso glücklicher sind wir.

Gina Schöler: Glück braucht Bereitschaft

Foto: Rolf Haid/ picture alliance / dpa

Die"Glücksministerin" Gina Schöler  wird sehr häufig nach einer "Formel" gefragt. Sie orientiert sich für ihre Antwort nicht nur an der Forschung, sondern vor allem an der Umsetzung im ganz normalen Alltag. Wenn man für sich selbst herausfindet, was einem gut tut und was man verstärken möchte, kann dies Wunder bewirken und - glücklich machen. Sie sagt:

Glück = Mut + Bereitschaft und Offenheit für Veränderung + unterstützende Lieblingsmenschen + große Neugierde

Glück im Sinne eines guten Lebens mit Zufriedenheit und Wohlbefinden braucht das Verlassen der Komfortzone und einen festen Griff nach dem "inneren Schweinehund".

Kurzum Mut, den Fluss des Lebens anzunehmen und im Positiven für sich zu nutzen. Dabei hilft Neugierde und es geht am angenehmsten mit Menschen an der Seite, deren Verständnis, Vertrauen und ein bisschen Verrücktheit das Leben zu etwas ganz Besonderem machen.

Dreimal täglich: Das Glücksrezept für den Alltag

Foto: Jens Büttner/ picture alliance / dpa

"Gutes kommt von Gutem" ist die Zusammenfassung meiner "Formel". Die Ausgangspunkte sind folgende: Wir benötigen ein Verhältnis von mindestens drei positiven zu einem negativen Moment für ein gesundes und glückliches Leben. Wir sind soziale Wesen und profitieren am allermeisten von guten sozialen Kontakten und Beziehungen. Und beim Denken fängt alles an. Das daraus abgeleitete Prinzip heißt

Glück = 3 x täglich Gutes

Das geht so:

  • Tun Sie sich täglich etwas Gutes.
  • Tun Sie jemand anderem täglich etwas Gutes.
  • Denken Sie täglich einmal bewusst gut.

Die Reihenfolge ist nach Wichtigkeit sortiert. Zuerst Sie. Denn nur dann werden Sie überhaupt zu Punkt zwei übergehen. Ansonsten haben Sie nichts übrig zum Abgeben oder vergessen sogar, an andere zu denken. Sich etwas Gutes zu tun heißt, irgendeine Kleinigkeit zu tun, die Ihnen Wohlbefinden bringt.

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Jemand anderem etwas Gutes zu tun, folgt dem gleichen Prinzip. Klein und wirkungsvoll. Hier kommt noch hinzu, dass die gute Absicht im Tun, nicht in der Reaktion oder dem Ergebnis liegt.

Einmal bewusst gut zu denken meint, es ganz konkret, ganz bewusst einzusetzen. Es geht um das aktive Umschalten, um eine neue Chance, die Sie einer Person oder Situation geben.

Fazit: Oma hat heute immer noch recht. Sich selbst und andere glücklich zu machen, das gehört zusammen und kann so einfach und angenehm sein, wie es klingt.